Hoffnung durch den Heiligen Geist
In ihrem Hirtenwort für Pfingsten 2020 verweisen die österreichischen Bischöfe auf die sieben Gaben des Heiligen Geistes, die uns zu Pfingsten vor 2000 Jahren geschenkt wurden. Es geht um Dankbarkeit für Erhaltenes, Versöhnung nach Konflikten, Solidarität mit Benachteiligten, Lernbereitschaft für die Zukunft, Bewahrung der Schöpfung, Achtsamkeit um uns selbst und um Vertrauen und Hoffnung für die Welt.
Wichtig für die Gesellschaft
Der steirische Caritas-Direktor Herbert Beiglböck freut sich über das Hirtenwort der Bischöfe: „Als Direktor der katholischen Hilfsorganisation freue ich mich, dass sich die katholische Kirche in der gesellschaftlichen Debatte einbringt. Wir brauchen diese Stimme gerade jetzt und ich bin dankbar, dass die Bischöfe mit ihrem Wort die verkündigende Wirkung der tätigen Caritas deutlich würdigen.“
Für die Katholische Aktion sagt deren Generalsekretärin Anna Hollwöger: „Der Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe ist pfingstlich in seiner Weite und in der Vielfalt der benannten Themen. Wir sind dankbar für das Benennen wichtiger Aspekte, die in dieser schwierigen Zeit und angesichts großer gesundheitlicher und wirtschaftlicher Fragen zu wenig wahrgenommen wurden und werden: Demokratische Grundhaltung, Idee Europa, Solidarität, Nachhaltigkeit… Gerne tragen wir den Diskurs über Sozialleistungen, über die in der Krise forcierte Digitalisierung oder auch über ein Grundeinkommen mit. Stellen wir uns in der großen Tradition der katholischen Soziallehre den Fragen der Menschen in der Arbeitswelt heute.“
Erich Hohl, der Integrationsbeauftragte der Katholischen Kirche Steiermark, hält fest: „Ich bin dankbar, dass die österreichischen Bischöfe zu wichtigen aktuellen gesellschaftlichen Themenfeldern, die viele Menschen in unserem Land innerlich bewegen, mit Gedankenanstößen Orientierung geben und eine breite Debatte eröffnen. Ein starker Akzent ist, dass die Bischöfe die Aufmerksamkeit ausdrücklich über unsere Landesgrenzen hinaus auf die Notlage von Schutzsuchenden in den Flüchtlingslagern an den Eingangstoren Europas ausdehnen und so zum wiederholten Mal im Sinne einer weltweiten Solidargemeinschaft eindringlich die Aufnahme von Asylsuchenden und Vertriebenen in Österreich anregen. Die Katholische Kirche in der Steiermark ist bei diesem humanitären Akt gerne mit der Caritas bereit, in Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden Quartierplätze z.B. für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) zur Verfügung zu stellen und für eine qualitätsvolle Betreuung zu sorgen.“
Zusammenhalt und Hoffnung
Christian Lagger, Direktor des Krankenhauses der Elisabethinnen, betont den Aspekt der Hoffnung: „Das Hirtenwort ist eine geglückte Botschaft zur richtigen Zeit, weil es wichtige Grundhaltungen benennt, die nicht nur eine Gesellschaft braucht, die durch eine Krise gegangen ist. Es ist ein Impuls, eine Neuausrichtung an gewissen Bruchstellen zu schaffen, die in der Krise sichtbar geworden sind. Für eine gute Zukunft in Europa braucht es die Anstrengung vieler, die Achtsamkeit und Versöhnung als Grundhaltung leben. Das schafft gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine Atmosphäre der Zuversicht, wie wir jetzt dringend brauchen.“
Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer betont: „Die letzten Monate waren für die Steirerinnen und Steirer sehr herausfordernd. Viele haben in dieser Zeit auch Kraft in ihrem Glauben gefunden. Die Steirerinnen und Steirer haben in diesen Monaten aber auch großen Einsatz und große Zuversicht gezeigt. Der starke Geist des Zusammenhalts lässt uns nun positiv in die Zukunft blicken. In ihrem Hirtenbrief zum Pfingstfest rufen die österreichischen Bischöfe die Gläubigen nicht zur zum Mut für morgen auf, sondern fordern auch auf, die neue Normalität hoffnungsvoll aktiv mitzugestalten.“
Für eine geistvoll erneuerte Normalität
Das Hirtenwort zu Pfingsten 2020 in Kurzform.
Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes, der zu jeder Zeit Neues schaffen kann. Die verängstigten Jünger wurden durch diesen Geist ermutigt, ihre Isolation zu verlassen. Freimütig haben sie zur Volksmenge über Gottes Wirken gesprochen. Dieses pfingstliche Ereignis sowie den fünften Jahrestag des Erscheinens der Umweltenzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus nehmen wir zum Anlass für ein Hirtenwort, das sich an alle Menschen in Österreich richtet. Jetzt stehen wir in der Krisenbewältigung an einer Schwelle. Das öffentliche Leben wird schrittweise normalisiert.
In dieser Phase der Neuausrichtung feiern wir das Fest des Heiligen Geistes. Bereits in den vergangenen Wochen war sein belebender Atem im erfreulichen Zusammenhalt von Politik und Gesellschaft zu spüren. Die rigorosen Einschränkungen der Grundrechte wurden von der Bevölkerung mitgetragen. Jetzt jedoch mehren sich kritische Stimmen, die nachträglich die Verhältnismäßigkeit der verordneten Maßnahmen in Frage stellen. Auf dieser heiklen Wegstrecke der weiteren Krisenbewältigung plädieren wir für eine nüchterne Reflexion des Vergangenen sowie für ein starkes konstruktives Miteinander. Ja, dafür brauchen wir einen neuen Geist! Das pfingstliche Ur-Wunder von Verständigung und Aufbruch ist heute möglich – und nötig.
Pfingsten ist auch das Geburtsfest der Kirche. Papst Franziskus fordert alle Gläubigen auf, über die eigenen Grenzen hinauszugehen, um mit denen zu sein, die heute physisch, psychisch, sozial und geistlich verwundet sind. Der Heilige Geist ist für diese Weltzuwendung der wichtigste Herzschrittmacher. Er schenkt uns alles, was wir zum Leben und zur Krisenbewältigung brauchen. Die folgenden sieben Geistesgaben, die wir als Leitmotiv für unser Hirtenwort gewählt haben, empfinden wir als Einladung, Auftrag und Befähigung, eine „erneuerte Normalität“ aktiv mitzugestalten. Dankbar nehmen wir wahr, dass diese Gaben und Talente schon in vielen Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche Großartiges bewirkt haben.
Neue Lebensqualität mit dem Geist von Dankbarkeit und Demut
Dankbarkeit gibt ein Gespür für das rechte Maß und befähigt zum Staunen. Viele Menschen haben verlässlich ihren Dienst getan und damit zur vielfältigen Versorgung in unserem Land beigetragen. Nichts ist selbstverständlich! Wie verletzlich unser persönliches Leben und unsere Gesellschaft ist, hat uns doch die Krise deutlich vor Augen geführt. Uns wurde in der entbehrungsreichen Phase bewusst, wie sehr wir aufeinander verwiesen sind. Der wachsende Geist der Dankbarkeit und Demut kann einen neuen Lebensstil prägen. Daher laden wir alle zu einer „Spiritualität der Dankbarkeit“ ein. Unser Leben ist doch immer ein überraschendes Geschenk, eine freie Gabe Gottes – von seinem natürlichen Anfang bis zu seinem natürlichen Ende. Wer zu danken beginnt, befreit sich und andere aus dem Teufelskreis von Neid und Gier.
Ohne den Geist der Versöhnung gibt es keine Verbundenheit
Trotz des physischen Abstand-Haltens gab es in den letzten Wochen viele Initiativen einer berührenden sozialen Verbundenheit. Diese wertvolle Erfahrung dürfen wir nicht verlieren. Der Heilige Geist stellt sich mit Vorliebe als Anwalt und Tröster an die Seite der Verängstigten und Geschwächten. Aufgrund des häuslichen Naheseins kam es aber auch zu vielen Konflikten und Belastungen. Deshalb braucht es jetzt Schritte der Versöhnung. Ein versöhnter Mensch lebt gelassener und fröhlicher. Er kann Schwächen eingestehen und unterbricht den gefährlichen Teufelskreis des Beschuldigens. Anlässlich der 25-jährigen Mitgliedschaft in der Europäischen Union plädieren wir auch für eine erneuerte, über nationale Grenzen hinausgehende Verbundenheit in diesem einzigartigen Zivilisations- und Friedensprojekt.
Geist der Aufmerksamkeit und Solidarität sind Not-wendend
In den vergangenen Wochen haben wir ein Comeback von Solidarität erlebt. Der pfingstliche Geist schärft unsere Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse des Anderen, er weitet Herz und Verstand. Der Corona-Lockdown zeigte, wie wichtig ein funktionierender Sozialstaat, ein leistungsfähiges Gesundheitssystem und eine gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Sozialpartnerschaft sind. Diesen Geist dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Eine bedrängend hohe Arbeitslosigkeit, viele Existenzängste, die unheilvolle Verbindung zwischen Armut, Scham und sozialer Ausgrenzung bedürfen unserer Aufmerksamkeit und zukunftsweisender Lösungsansätze. Christliche Solidarität ist grenzenlos. Wir Bischöfe unterstützen daher alle Bemühungen, damit Flüchtlinge aus den Elendsquartieren an den Grenzen Europas auch in Österreich aufgenommen werden.
Nur Wertschätzung und Lernbereitschaft ermöglichen Zukunft
Mit einem Geist der Wertschätzung wurden bereits vielfach Frauen und Männer in den bislang unterbewerteten Berufsgruppen wie Handel, Dienstleistung und Pflege erwähnt. Viele dieser systemrelevanten Berufe werden von Frauen ausgeführt. Längst ist eine angemessene, also wertschätzende Entlohnung notwendig. Wir wünschen uns insgesamt eine neue Debattenkultur in Politik, Gesellschaft und Kirche. Nur eine lebendige Demokratie, wechselseitiger Respekt und eine menschliche Fehlerkultur ermöglichen Zukunft. Der weitreichende Einbruch der Wirtschaft und die dadurch verursachte Krise vieler Betriebe machen uns den Wert von unternehmerisch tätigen Menschen bewusst. Sie schaffen und erhalten Arbeitsplätze.
Geist der Achtsamkeit und Entschlossenheit bewahrt vor Erschöpfung
Papst Franziskus hat mit seiner ökosozialen Programmschrift „Laudato si“ eindringlich für eine nachhaltige Lebensweise geworben. Der Geist der Achtsamkeit drängt zu einem kritischen Blick auf das eigene Verhalten und zu zukunftsweisenden politischen Weichenstellungen. Ohne Umkehr gibt es keine geistvoll „erneuerte Normalität“. Wir können gemeinsam mit Achtsamkeit und Entschlossenheit eine finale Erschöpfung unseres Planeten Erde verhindern. Deswegen ist es wichtig, das Verhältnis von lokaler Erwirtschaftung und internationaler Kooperation neu zu gewichten. Ein bloßes Ankurbeln des Konsums darf uns nicht mehr genügen. Es treibt uns sonst wieder in jenes unersättliche Immer-Mehr, das uns selbst und die Natur krank gemacht hat.
Lebensfreude und Geduld ermöglichen Ausdauer
Eine erstrebenswerte Normalität zeichnet sich wesentlich durch Lebensfreude und ein gutes Maß an Geduld aus. Wahre Freude ist immer das erste Geschenk des pfingstlichen Geistes. Sie stellt sich dann ein, wenn Menschen nicht in der Sorge um ihre eigenen Befindlichkeiten steckenbleiben, sondern ihren Blick und ihr Herz auf die berechtigten Bedürfnisse ihrer Nächsten richten. Sie bewahrt vor Verbitterung und Ungeduld. Sie inspiriert zu kreativen Lösungsansätzen und trägt wesentlich zur Resilienz, zur inneren Belastbarkeit des Menschen bei. Lebensfreude bewahrt vor Verbitterung und Ungeduld. Sie wird gleichzeitig zur Quelle für Gelassenheit und Hoffnung.
Geist des Vertrauens und der Zuversicht sind Gottes Geschenk
„Mit Gott geht das Leben nie zugrunde!“ erinnerte der Papst am menschenleeren Petersplatz kurz vor Ostern. Christlicher Glaube wischt die Probleme nicht einfach weg. Er ist vielmehr eine Trotzdem-Kraft, die es zur Bewältigung krisenhafter Situationen braucht. Das Herzstück dieses Glaubens ist eine lebendige Beziehung zu Gott, getragen von einem Geist des Vertrauens. Ohne Vertrauen geht der Mensch schlichtweg zugrunde, hineingezogen in den Strudel bedrängender Ängste und negativer Prognosen. Auch eine Kultur des Sonntags gehört dazu, die wir nicht einem wirtschaftlichen Profit opfern dürfen. Gerade angesichts aller gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen braucht die menschliche Seele ihre Nahrung. Das geschieht durch einen herzhaft gelebten Glauben, durch Kultur und vieles mehr.
Wir vertrauen darauf, dass uns mit Hilfe des Heiligen Geistes eine „geistvoll erneuerte Normalität“ gelingen wird – sie beginnt an vielen Lern-, Denk- und auch Gebetsorten, wo eine pfingstliche Liebe jetzt schon spürbar ist. Gerne erbitten wir für alle Menschen unseres Landes Gottes Geist und seinen Leben schenkenden Segen!
Die katholischen Bischöfe Österreichs