Christus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden!
Predigt vom Bischof Wilhelm Krautwaschl
am Ostersonntag im Dom zu Graz
1. Vor mehr als 26 Jahren - es war mitten im Winter und der Abend war schon hereingebrochen - stand ich am offenen Grab meines Vaters. Es war rundum dunkel. Und: es war der Ernstfall des Glaubens. Wiewohl mir im sprichwörtlichen Sinn des Wortes bei der Predigt während der Messfeier "die Spucke wegblieb", war es dennoch mein Dienst, die Auferstehung und das Leben zu bekennen. Als dann noch die Stadtmusikkapelle jenen Marsch intonierte, den mein Vater liebend gern dirigierte, meinte ein Priesterfreund: "Ich habe deinen Vater nicht gekannt, aber nach diesem Musikstück weiß ich, wie er war."
2. Die Auferstehung - wir haben es eben gehört - wird angesichts des Blicks in ein - dunkles - Grab erkannt: "Er sah und glaubte" wird vom Lieblingsjünger berichtet. Vom Leben auf ewig zu reden wird gerade angesichts des Todes zum Thema. Und genau deswegen sind wir mit den "anderen Ostern", die wir heuer auferlegt bekommen haben, "am rechten Fleck", möchte ich sagen. Wir befinden uns aber in "guter Gesellschaft" der ersten Jünger, die auch nicht gleich die Auferstehung verstanden haben, von der sie in ihrer Selbstisolation im Obergemach auf dem Zionsberg durch andere erfahren haben.
Wir Christen turnen uns mit dem Glauben an die Auferstehung und das ewige Leben nicht über all das hinweg, was uns Menschen in dieser Welt widerfahren kann - denn auch der Auferstandene hat die Wundmale des Leidens getragen. Wir bekennen lediglich, dass wir alles, was wir hier unter den Bedingungen von Zeit und Raum erfahren, aufgrund unseres Glaubens aus dem Blickwinkel der Ewigkeit betrachten. Und das erlaubt uns - so wie es mir damals am Friedhof beim Begräbnis meines Vaters ergangen ist - auch an einem Grab die Hoffnung des Lebens zu bekennen, die mir die Möglichkeit auf ein Morgen eröffnet.
3. Diese Hoffnung verkünden wir unserer Welt auch heuer, gerade in Zeiten, in denen vielen von uns deutlich wird, dass wir als Menschen auch Situationen ausgesetzt sind, in denen wir nicht alles in der Hand haben, in denen wir anstehen und uns ohnmächtig fühlen. Gerade in solchen Herausforderungen gilt es, sich mit allen, die sich zum Glauben an die Auferstehung je bekannt haben oder bekennen, auf diese Wirklichkeit zu verlassen, an ihm festzuhalten als Möglichkeit, das Jetzt auszuhalten. Wir können uns diesen Lebensstil "leisten", weil eben ER, unser Gott, diese Herausforderung auch angenommen hat - bis zum Tod am Kreuz. Damit hat ER uns erlöst von den Zwängen des Verhaftet-Seins im Kontext des bloßen Messens und Berechnens. Für uns ist dieses, Sein Leben, eben Ausdruck dessen, was wir von Gott generell sagen: ER ist Liebe.
4."Alles, was Gott tut oder zulässt, geschieht aus seiner Liebe", hat die hl. Katharina in etwa einmal gesagt. Den Blick der Ewigkeit auf unsere Welt, und damit auch unser persönliches Sein, anzulegen - gerade heute an diesem ganz speziellen Ostersonntag - ist Einladung zur Vertiefung unseres Lebens auf dem Fundament des Bekenntnisses zu einem Gott, der den Tod besiegt hat. Was wir jedes Jahr aufs Neue vergegenwärtigen, ist heuer - gerade angesichts einer Welt in der vieles eine andere Sprache spricht als die des Lebens: ich denke an Hunger, ich denke an Naturkatastrophen, ich denke an Krieg und Terror, an Flucht und das Elend von Heranwachsenden - ganz besonders gefordert, nämlich: dass wir "ja" zum Glauben an das Leben sagen. Und das bedeutet auch, sensibel zu sein für die Not anderer, sind wir gemäß der einen Menschheitsfamilie doch alle Brüder und Schwestern.
5. "Christus ist auferstanden. - Er ist wahrhaft auferstanden!" Dieser in der Orthodoxie übliche Gruß am hohen Osterfest ist im Jahr 2020 wohl ein vertieftes Glaubensbekenntnis für jede und jeden von uns. Und: angesichts all dessen getraue ich mir zu sagen: unsere Welt wartet auf unser Zeugnis für das Leben!