Lazarus, komm heraus!
Liebe Schwestern und Brüder,
Freundschaft ist für jeden von uns eine wichtige und für das Leben so wunderbare Erfahrung. Freundschaft macht uns fähig zum Gespräch mit anderen Menschen, wir lernen uns einzufühlen in einen anderen Menschen, wir lernen einander tief zu vertrauen.
Heute im Evangelium hören wir, dass Jesus hingewiesen wird, dass sein Freund Lazarus krank sei. Die Reaktion Jesu ist etwas befremdlich. Er erklärt seinen Begleitern, dass diese Krankheit nicht zum Tode führt. Das Johannesevangelium hat oft diese Art von geheimnisvollen Worten Jesu. Die weitere Geschichte zeigt dann aber tatsächlich, dass Jesus sich täuscht und schließlich seinen Begleitern offen sagt, dass Lazarus gestorben ist. Die weiteren Erklärungen, die Jesus dazu gibt, weisen alle auf den Glauben hin – zunächst auf den seiner Begleiter und schließlich auf den all derer, die das Evangelium hören, also auf unseren Glauben.
Es geht um uns, um die Frage wie es um den Glauben in uns und an Jesus bestellt ist. Ein Freund Jesu ist einer, der an ihn glaubt und sein Leben ihm anvertraut. Für uns Christen ist der Beginn der Beziehung und der Freundschaft mit Jesus und Gott in der Taufe begründet. Durch die Taufe entsteht ein besonderes Verhältnis zu Gott. Die Taufe hebt uns heraus aus dem Vergänglichen in die Dimension Gottes hinein, in seine „Ewigkeit“. Im Gespräch mit Nikodemus spricht Jesus von einer Wiedergeburt durch Wasser und Heiligem Geist. An anderer Stelle ruft Jesus aus: „Die Stunde kommt und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme Gottes hören…“ Als tot wurden im frühen Christentum alle angesehen, die noch nicht den Schritt zum Glauben an Jesus gemacht hatten, die noch nicht getauft waren. In der Geschichte der Auferweckung des Lazarus begleitet Jesus dessen Schwester Marta zum Bekenntnis des Glaubens. Er sagt zu ihr: „Jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ und sie antwortet mit dem Glaubensbekenntnis: „Ja, Herr, ich glaube!“ Und dann lässt sich Jesus noch tiefer anrühren und ruft den Verstorbenen aus dem Grab ins Leben zurück. Jesus zeigt uns, dass jeder der sein Freund ist, nicht im Tod bleiben wird, sondern auf neue, ganz andere Weise zum Leben kommt.
Ja, liebe Schwestern und Brüder, die Auferweckung des Lazarus ist mehr als eine Wundergeschichte. Es ist eine Glaubensgeschichte. In ihr geht es nicht darum, dass ein Toter ins Leben zurückfindet. Es geht darum, dass ich ins Leben komme. „Glauben“ im Johannesevangelium heißt nichts anderes als vom Tod ins Leben kommen! Aus den Gräbern, wo vorgewälzte Steine und viele Binden lebensunfähig machen, herauskommen. Herauskommen aus dem Grab der Selbstsucht und Gottferne in die Nähe Gottes, in die Freude und Freiheit der Kinder Gottes, in die Beziehung zu dem, der von Grund auf liebt und uns vergibt, der nicht nur Liebe hat, sondern dessen Wesen Liebe ist.
Jesus fragt Marta: „Glaubst du das?“ Das ist eine ganz wichtige Frage. Da wird nämlich die ganze Provokation, die in der Lazarusgeschichte steckt deutlich. Die Antwort darauf entscheidet, ob wir österliche Menschen sind oder nicht.
Weil Christus die Auferstehung und das Leben ist, können und dürfen wir jetzt schon als österliche Menschen das Leben wagen und jetzt schon – gerade jetzt in dieser schweren Zeit, wo der Tod überall ist – aus der Kraft der Auferstehung leben, die uns einmal ganz erfüllen wird.
Seid gesegnet mit dieser Kraft. Ich grüße alle aus tiefstem Herzen!
Euer P. Sepp Altenburger, Comboni-Missionar